In der großen Pause im Gymnasium an der Stadtmauer hatte sich eine kleine Gruppe gebildet, jemand stand in der Mitte und hielt eine Schallplatte in den Händen. Marion reichte die Platte herum, schwarz-weisses Cover ein Junger Mann mit langen Haaren und einer Gitarre, Rory Gallagher, “Deuce“, las ich, als ich die Platte in der Hand hielt. Das war im Frühjahr 1972, schon die 2. Platte von Rory Gallagher wie sich später herausstellte und ich hatte noch nie etwas von ihm gehört. Nach der Schule gingen wir mit ein paar Leuten mit zu Marion die neue Platte zu hören. Bei zugezogenen Vorhängen hockten wir auf dem Boden und verschwanden langsam in Rory’s Welt. „Used to be“, „I’m not awake yet“, „In your town“, should’ve learn my lesson „ diese Songs wirkten so gewaltig auf mich, dass ich am liebsten selber Rory Gallagher gewesen wäre. Irgendwann kamen Marion’s Eltern und wir mussten die Session unterbrechen.
Ich hatte schon ein halbes Jahr vorher angefangen Gitarre zu spielen und konnte immerhin schon einen Bluesanfang in E, die Hälfte von „My sweet Lord“ und eine sehr vereinfachte Version von „Blowin in the wind“ spielen ,was mich schon zu einem richtigen „Partystar“ gemacht hatte.
Nach der Roryplatte musste ich aber einsehen, dass ich noch einiges vor mir hatte, bis ich so spielen konnte wie er.
Aber erstmal brauchte ich eine richtige Gitarre. Ich hatte eine japanische Epiphone in rot, mit Flatwound saiten, die so dick waren, dass es unmöglich war die Saiten zu ziehen. Eine Fender Stratocaster hatte niemand den ich kannte, aber eine „gelbe“ Telecaster, wie sie Rory zum Slide spielen benutzte,( mittlerweile hatten wir ganz schön recherchiert , wir hatten noch eine Rory Liveplatte, die ,“in Europe,“ die „Taste“ live at the isle of wight, und hatten schon Bilder mit Rory und der gelben Telecaster gesehen) wollte jemand aus der Musikerszene verkaufen.
Heinz Gerber galt als einer der besten Gitarristen in Kreuznach, er studierte klassische Gitarre und konnte von Jimi Hendrix , diese langsame bluesige Nummer ,von der Woodstockplatte, auswendig spielen( „Villanova junction“), außerdem „Hey Joe“, „Red House“, alles mögliche von den Beatles, von Led Zeppelin usw. Er war auf jeden Fall der beste „progressivste“ Gitarrist in Bad Kreuznach. Ich traf mich mit Heinz in einem alten düsteren Haus in der Stadt, es brannten einige Kerzen und es war ziemlich kalt. Heinz zeigte mir die Gitarre, ich war etwas enttäuscht als ich die vermeintlich, „gelbe „ Fender Telecaster sah, sie war nicht mehr gelb, sondern schwarz, Heinz hatte sie komplett mit einem Pinsel mit schwarzer Farbe gestrichen, „Fender“ stand auch nicht mehr drauf, sondern „Gerber“, und einer der Wirbel war durch einen Plastikwirbel ersetzt, der nicht mal richtig passte. Ich fragte „ ist das überhaupt einen richtige „Fender“ und Heinz antwortete, „das sieht doch ein Blinder mit Krückstock, und ausserdem steht‘s noch hinten auf der Brücke“. Es stimmte auf der Brücke stand ganz winzig „FENDER“, na ja damit konnte man zwar niemanden so richtig überzeugen, aber es war wenigstens etwas. Nach dem Heinz noch das Intro und dann das Solo von „Hey Joe“ spielte, war ich einigermassen überzeugt, und entschied mich dafür, die Gitarre zu kaufen. Die Zahlungen und den Preis gestaltete Heinz sehr sozial, 300 Mark zu je 6 x 50 Mark Raten. Das musste irgendwie zu machen sein, allerdings hatte ich weder Geld dabei, noch irgendeinen Zugriff auf irgendwelches Geld, aber ich versprach die ersten 50 Mark in der kommenden Woche vorbeizubringen. Ich nahm die Gitarre inklusive schwarzem Ledergurt unter den Arm und bewegte mich mit gemischten Gefühlen Richtung Bahnhof.
Wie kriege ich die Gitarren wieder hin, dass sie aussieht wie die von Rory und woher nehme ich das Geld für die erste Anzahlung. Mein Freund Ralf hatte eine gute Idee, die Gitarre solange abschleifen, bis das „gelb“ wieder raus-kommt, am besten mit dem Schwingschleifer in der Autowerstatt seiner Eltern. Gesagt, getan, am nächten Tag war Samstag, die Werksatt zu, und wir konnten ungestört loslegen. Schicht für Schicht legten wir die verschieden anderen Farben unter dem schwarz frei, bis das „gelb“ wieder erschien. Jetzt sah die Gitarre einer Fender Telecaster schon viel ähnlicher, jetzt noch schnell das „Gerber“ weggekratzt vom Headstock, und schon hatte die Gitarre etwas mit Rory’s gemeinsam, der ja auch auf seiner Stratocaster keinen Schriftzug mehr hatte.
Das Restaurieren der Telecaster hatte noch ein ziemlich rüdes Nachspiel von der Erwachsenenseite aus, weil nach der „Tat“ die gesamte Autowerkstatt und der Ausstellungsraum für neue BMW’s mit schwarz-rot-gelbem Schleifstaub überzogen waren, erstaunlicherweise gab mir mein Vater eine Woche später trotzdem die 50 Mark für die erste Anzahlung.
Das war der Anfang einer langen Odyssee einer grossen Leidenschaft, Musik, Sound, Gitarren, amerikanische, wie die Stars sie spielen. Die meisten Musiker versuchten sich damals zu verbessern und zu übertreffen, was den Sound betraf und natürlich auch das Image.
Obwohl ich damals auch Hendrix, Cream oder die Doors bewunderte, konnte ich mich viel mehr mit Rory Gallagher identifizieren, die Musik war genial sein Auftreten einfach, bescheiden und symphatisch, ähnlich wie bei dem frühen Bob Dylan. 1975 im März sah ich Rory Gallagher zum ersten mal live, in der Landwirtschaftshalle in Kaiserslautern der Eintritt kostete 5 DM. Eine kleine Gesangsanlage, der Vox AC 30, Gerry Mc Avoy, Bass und Wilgar Campell am Schlagzeug.
In den kommenden Jahren versuchte ich mit vielen Leuten die man so kennelerte Musik zu machen aber nie kam es auch nur im geringsten in die Reichweite eines Rory Gallagher oder gar eines Jimi Hendrix.
In unserer Region und auch in dieser Zeit war es nicht einfach eine gute Rockband zu gründen. Viele gute Musiker machten Tanzmusik, weil man damit viel Geld verdienen konnte, so was kam für mich überhaupt nicht in Frage, ich würde doch niemals für irgendwelche Spiesser irgendeinen Schrott spielen, für Geld, niemals!
Es gab auch keine Lehrer, die Rock, Blues oder Jazz unterrichteten, keine Noten, und schon gar
keine Tabulaturen für Rockmusik und so musste man sich alle Songs mühsam von der Schallplatte abhören, selbst Kassetterecorder waren damals noch selten. Die Erwachsenenwelt machte mir zudem das Leben schwer mit Spielverbot, Kleiderzwang, das bedeutete, keine Bluejeans, keine Baumwollhemden, oder sonstige Gammlerverkleidungen, natürlich auch keine langen Haare.
Meine Haare hatten sowieso keine große Change sich zu verlängern, weil ich sie nach jedem Sitzenbleiben im Gymnasium kurz schneiden lassen musste und das vom Opa, und der war nicht zimperlich!
Diese Sanktionen brachten mich der Tanzmusik und der „konservativen“ Gesellschaft nicht näher und nachdem ich nach der dritten Wiederholung, das Gymnasium verlassen musste, sah ich mich mehr und mehr als „verkannten“ Aussenseiter.
Ich kam weder mit Schulen, Berufsausbildungen noch mit Leuten aus, die Musik machen wollten.
Ich konnte auch nicht richtig spielen, ich wusste einfach nicht wie es angehen sollte und es gab niemanden der bereit war einem was zu zeigen. Der einzige Ausweg war trinken! Das war auch legitim, in der Pfalz, wie in Bayern. So begannen wir mehr über Musik zu reden und zu trinken, als wirklich zu spielen.
Immer war irgendwas oder irgendwer schuld, die Kälte im Proberaum, der Liebeskummer, der schlechte Schlagzeuger oder der Sound! Warum klingt das nicht so wie bei Rory oder bei Clapton, oder Hendrix, wie machen die diesen Sound!
Uns so kam ich zu meinen ersten Lehrlingskrediten, ich brauchte unbedingt einen Vox AC 30, dann einen Marshall, einen Ampeg, einen Gibson Les Paul, eine Stratocaster usw.
Dann fuhren wir zum ersten Mal nach Köln, dort gab’s Musikgeschäfte die hatten alles. Man kaufte, gab wieder Sachen in Zahlung, tauschte legte drauf, manchmal hatte man auch Glück und bekam etwas mehr für das was man angeschleppt hatte.
Das erste Riebe’s Fachblatt Musikermagazin kaufte ich 1976, da war ein grosser Bericht mit Interview über Rory Gallagher drin. Man erfuhr etwas über seine Effektgeräte, seinen Verstärker, die Stärke seiner Saiten und über seine Akustischen Gitarren. Diesen Artikel hatte Bernd Groll geschrieben, den ich damals noch nicht kannte. In diesem Musikermagazin gab’s auch jede Menge Kleinanzeigen in denen Leute aus ganz Deutschland ihre Musikinstrumente anboten, Gitarren, Verstärker, Effektgeräte und alles mögliche andere was mit Musik zusammenhing. Ich fing an Gitarren zu kaufen und wieder zu verkaufen, wenn sie mit nicht zusagten. Allerdings konnte man nicht immer alles sofort wieder verkaufen und auf diese Weise sammelte sich so einges an.
Nachdem alle Versuche einen sogenannten anständigen Beruf zu lernen fehlgeschlagen waren, fing ich an mich mit dem Verkauf meiner übrig gebliebenen Gitarren über Wasser zu halten. Die musikalische Lage hatte sich noch nicht sonderlich verbessert, außer daß ich inzwischen meinen kleinen Bruder Gerhard zum Schlagzeug spielen überredet hatte. Das war Ende der siebziger. Ich fing an deutsche Texte zu schreiben, einfache Songs, die zu uns passen sollten und einfach zu spielen waren, ein paar schnelle Songs auf Rock,n Roll Basis und ein paar Balladen, in der Mitte natürlich ein langes Gitarrensolo, das, wenn wir live spielten dreimal so lang wurde und wenn ich den Text vergessen hatte (was sehr oft vorkam) wiederholt wurde. Abläufe hatte ich auf diese Art und Weise abgeschafft. Die Proben fielen häufig aus und wurden durch ausgiebige Kneipenbesuche nachgeholt. Weil wir noch keinen Namen hatten und so gut wie nie probten, kam jemand auf die Idee uns V. Lenz Band zu nennen (Manfred Ostermay). Wir spielten auf Festivals in Kneipen und auf Jugend Freizeiten meistens umsonst und manchmal gar nicht so schlecht, es klang ein wenig wie Punk mit viel Gitarrensolo. Was die Leute besonders gerne mochten war, wenn wir uns auf der Bühne prügelten oder uns unflätige Worte zuschrien. Die Besetzung damals: mein Bruder Gerhard Lenz, Schlagzeug und Gesang, Christoph Jung, Bass, Gesang, und ich an der Gitarre. Mit meinem Gitarrensound war ich immer noch unzufrieden und kaufte eine Gitarre und einen Verstärker nach dem andern.
Ich kam auf die Idee mir einen eigenen Verstärker bauen zu lassen. Ein Junge aus dem Nachbardorf studierte Elekrotechnik, er bot mir an aus seinem Fender Bandmaster einen Prototyp zu bauen. Wir verbrachten Tage und Wochen mit dem ein und au löten von Kondensatoren und Widerständen. Die Ergebnisse euphorisierten und enttäuschten uns abwechselnd. Zur gleichen Zeit traf ich einen Musiker wieder der mit einem Freund zusammen Gesangsanlagen baute, ihm erzählte ich von meinen Ideen, und unseren Problemen. Günther Phillip war sofort von der Idee begeistert und erzählte mir von einem Techniker, der meine Soundprobleme lösen könnte. Wir trafen uns mit dem Techniker Bernd Schneider und gründeten bald danach unsere Firma PCL. Uli Pitz der Junge aus dem Nachbarort der sich viel Mühe gegeben hatte, wurde auf diese Weise nicht gerade menschlich ausgebootet, aber er war zum Glück nicht sehr nachtragend.
Um die Firma zu gründen brauchten wir Geld, und und dieses zu bekommen brauchten wir noch einen Teilhaber und einen Kredit. Zusammen mit Günther Phillipp und meinem besten Freund Karl Clausonet gründeten wir die FirmaPCL Musical Instruments. Über meinen Gitarrenkaufrausch hatte ich in der ganzen Bundesrepublik viele Musiker und vor allem Musikinstrumentenhändler kennen gelernt, junge Leute die kleine, manchmal sogar schon große Musikgeschäfte aufgezogen hatten. Viele dieser Leute waren unsere ersten Kunden. In dieser Zeit wo sich alle Musiker verwirklichen wollten war es nicht schwer Gitarren und Verstärker und Zubehör zu verkaufen, jeden Tag kam was neues heraus und versprach die ersehnte Soundverbesserung. Unser Verstärker war eine Mischung aus dem sehr bekannten Mesa Boogie und einem Marshall Verstärker.
Der Verkauf lief ganz gut, die Produktion und die Organisation waren allerdings nicht sehr effektiv. (Katastrophe) Wir hatten eine kommerzielle Firma am laufen und wollten nicht unbedingt Geschäfte machen, weil Kommerz total uncool war. Wir stellten auf allen möglichen Messen aus, verprassten jede Menge Geld und nahmen nicht genug ein.
In diesem Jahr 1981 suchte ich mal wieder nach einer Fender Stratocaster und telefonierte mit einigen Leuten. Irgendjemand gab mir die Telefonnummer von einem Musiker in Köln, der Bernd Groll hieß. Den Namen kannte ich, das war doch der Mitarbeiter vom Fachblatt der den Artikel über Rory Gallagher geschrieben hatte. Bernd hatte zwar nicht die Gitarre die ich suchte könnte aber in kürze eine finden. Wir telefonierten noch sehr lange und fachsimpelten exzessiv über alte Gitarren.
Ein paar Wochen später rief mich Bernd wieder an und fragte mich, ob ich nicht nach Köln kommen wollte um Rory Gallagher zu treffen, ich sollte einen von meinen Verstärkern mitbringen, damit ich ihn Rory zeigen könnte.
Mein Freund Christoph Jung, der Bass in unserer Band spielte, hatte eine Freundin in Koblenz, er nahm mich bis dorthin mit. Ich fuhr mit dem Zug weiter nach Köln, Hauptbahnhof, wo mich Bernd Groll abholte (Ich hatte damals noch keinen Führerschein).
Mit dem Verstärker vorm Bauch lief ich durch die Bahnhofshalle, wo ich von Bernd herzlich empfangen wurde. Zuerst fuhren wir zu ihm nach Hause, wo er mir einige von seinen alte Gitarren zeigte,dann fuhren wir weiter nach Stommeln zu Dirk’s Studio wo Rory Aufnahmen für sein neues Album „Jinx“ machte. Ich hatte richtig Herzklopfen und konnte mir gar nicht vorstellen, dass ich Rory Gallagher wirklich treffen würde. Als wir ankamen war die Band gerade am aufnehmen.
Wir durften in den Aufnahmeraum zuhören. Das Chassis des Vox AC 30 war halb aus dem Gehäuse gezogen, wegen der Hitzeentwicklung. Die Band spielte volle Kanne, wie im Livekonzert.
In der Pause kam Rory auf uns zu, er begrüsste Bernd und Bernd stellte mich als Freund vor, der Röhrenverstärker baut, und sagte ihm, dass ich für ihn einen mitgebracht hätte. Rory schüttelte mir die Hand und sagte, es würde ihn freuen, wenn er den Verstärker ausprobieren dürfte. Wir holten den „Vintage Amp“ aus dem Auto und Rory begann direkt mit ihm völlig unbekannten Verstärker aufzunehmen. Er benutzte nur den Cleankanal, drehte den Verstärker voll auf und koppelte ihn mit einem alte Marshall JTM Combo. In der Pause kam er zu uns und meinte: „sounds great“, und er würde gern weiterhin mit dem Amp spielen. Ich war erleichtert und froh, ich sagte ihm er könne den Amp solange behalten wie er wolle. Ich war total stolz, obwohl ich dieses Wort ungern gebrauchte, dass Rory Gallagher mit einem Verstärker spielte, dessen Klangbild ich gestaltet hatte. Nachdem wir Rory noch eine zeitlang zugehört hatten verabschiedeten wir uns und fuhren zurück nach Köln. Ich übernachtete bei Bernd und fuhr am nächsten Tag mit dem Zug zurück in die Pfalz.
Rory fand den Verstärker gut, er nahm damit einge Songs der Platte „Jinx“ auf, unter anderem den Titelsong „Jinx“. Er nahm den „Vintage Amp“ auch auf seiner Deutschland Promotion „JINX“ tour mit und spielte ihn bei jedem Auftritt. Phil Mc Donell, der Chefroadie der Rory Gallagher Band rief mich an, und lud mich für alle Deutschlandgigs der „Jinx“ Tour ein.
Ich war begeistert und lud, alle meine Freunde, von denen ich wusste, dass sie Rory Fans waren ein, mitzufahren.